Eröffnungsrede zur Ausstellung

Ich begrüße heute ganz besonders herzlich die Fotografin Maren Heyne und ihren Mann, den Bildhauer Friederich Werthmann. Sie haben sich, anlässlich der Gestaltung dieser Ausstellung, aus Düsseldorf auf den Weg gemacht und sind ein paar Tage hier bei uns zu Gast in Saalborn.
Maren Heynes großformatige Landschaftsfotografien, die sie für diese Ausstellung ausgewählt hat, zeigen vor allem Farbigkeiten und Strukturen. Sie sind nicht der klassischen Landschaftsdarstellung verpflichtet, sondern gleichen teils eher abstrakten Gemälden. Zu sehen sind nicht in erster Linie spektakuläre Landschaften, sondern vor allem solche Strukturen, die durchaus auch zu unseren alltäglichen Seh-Erfahrungen gehören. So der Himmel mit wechselnden Wolken, die – so Maren Heyne – manchmal Flügelschlägen von Engeln gleichen. Dazu gehören Felder, die sich im Rhythmus der Jahreszeiten verändern, so die Bilder von Getreide- und Kohlfeldern (ein Foto aus dieser Serie ist oben auf der Empore zu sehen). Spiegelungen im Wasser, überhaupt die verschiedenen Farbigkeiten des Wassers sind ein weiteres Thema. Und hier schimmert dann vielleicht doch eine konkrete, durchaus auch spektakuläre Landschaft durch – die des Tessins, Maren Heynes Wahlheimat, in der sie einen Teil ihres bisherigen Lebens zugebracht hat bzw. in der sie sich immer noch zeitweise aufhält.
Ich durfte Maren Heyne und Friederich Werthmann im vorigen Jahr kennenlernen. Wir besuchten sie in ihrem großzügigen, alten Haus in Düsseldorf-Kaiserswerth. Wie so oft, wenn ein Künstlerehepaar einen Ort gestaltet, beeindruckt die enge Verflechtung von Leben und Arbeiten, von Ort und Werk. Das historische Anwesen und insbesondere der verwunschene große Garten strahlen einen eigenen Zauber aus. Dort hat auch ein Teil der Skulpturen Friederich Werthmanns seinen Platz gefunden. Ein wenig scheint dieses Fleckchen Erde auch wie aus der Zeit gefallen. Während ringsum nach dem Prinzip der Gewinnmaximierung gebaut und verdichtet wird, haben die beiden hier die gelassene Großzügigkeit von Haus und Garten bewahrt. Ein guter Ort also, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Und ich durfte mir dort einen Teil der Bücher ansehen, die Maren Heyne im Laufe der Jahrzehnte veröffentlicht hat. Die Themen sind vielfältig. In ihnen spiegelt sich deutlich Biografisches; ein wahrlich reiches Leben wird darin sichtbar.
Maren Heyne ist in eine Architektenfamilie hineingeboren worden. Sie hat selbst Architektur studiert, sich aber dann doch für die Fotografie entschieden. Das architektonische Interesse allerdings ist geblieben, und so ist sie immer wieder auch als Architekturfotografin tätig gewesen. Maren Heynes wacher Blick gilt jedoch auch der Malerei, der Bildhauerei, der Musik, überhaupt der Kunst. Das biografisch so wichtige Lebensjahrzehnt zwischen 20 und 30 Jahren fällt bei ihr in die 1960er Jahre, in eine künstlerische Aufbruchsphase, in eine außerordentlich experimentelle Zeit. Maren Heyne porträtierte und dokumentierte diese Szene – es entstanden Arbeiten, die heute wieder verstärkt bei ihr nachgefragt werden. Und sie lernte in dieser Zeit, in den 1960er Jahren, den Bildhauer Friederich Werthmann kennen. Die beiden sind mittlerweile seit knapp 5 Jahrzehnten ein Paar; und selbstverständlich hat diese Beziehung auch Maren Heynes Arbeit beeinflusst. Einen Teil ihrer Tätigkeit widmete sie ihrem Mann Friederich Werthmann in einem ganz konkreten Sinn, denn sie erarbeitete die Kataloge zu seinen Ausstellungen und andere Veröffentlichungen zum Werk. Vielfältige
Themen hat Maren Heyne auch auf ihren gemeinsamen Reisen gefunden bzw. umgekehrt: Ein Thema hat gezielte Reisen veranlasst. Durchs Reisen haben die beiden auch ihre zweite Heimat entdeckt: das Tessin. Dort bauten sie Haus und Werkstatt. Und die Fotografin Maren Heyne spürte auch dort den Wunsch zu dokumentieren, und so entstand nach siebenjähriger Arbeit das Buch „Gresso – ein Bergdorf im Wandel“. Sie wollte, wie sie selbst im Vorwort sagt, Reste einer im Verschwinden begriffenen, vorindustriellen Lebensform in einer Region festhalten, die – als sehr armer Landstrich – vom strukturellen Wandel in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s umso heftiger ergriffen wurde. Eine kleinteilige Agrargesellschaft verschwand zugunsten einer (globalisierten) Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft. Dieses Buch hat mich beim Anschauen und Lesen besonders beeindruckt. Es zeigt, dass Maren Heyne nie lediglich distanziert dokumentiert, sondern geleitet wird von einer starken Empathie für dasjenige bzw. für diejenigen, die sie abbildet. Und dafür nimmt sie sich Zeit und entwickelt, wie sie selbst sagt, ein Gefühl von Zugehörigkeit (Fünf Fotos aus dieser Serie, zu dem Bergdorf Gresso im Tessin, hängen oben auf der Empore).
Diese Sensibilität für die Wandlungen und Gefährdungen, denen die Schönheit des Lebens mit all ihren vielfältigen Formen ausgesetzt ist, zeichnet meines Erachtens Maren Heyne ganz besonders aus. So spürte sie über Jahrzehnte nicht nur dem im Verschwinden Begriffenen, sondern auch den Spuren des bereits Verschwundenen nach. Sie beschäftigte sich in mehreren Veröffentlichungen insbesondere mit den Spuren jüdischen Lebens in Deutschland. Es entstand unter anderem der Bildband „Stille Gärten – beredte Steine. Jüdische Friedhöfe im Rheinland“. Auch dies ist nicht lediglich eine Dokumentation, sondern es schwingt immer das Bestreben mit, Stimmungen und Charakteristika einzufangen, d. h. die Seele eines Ortes zu erspüren. Mit „Stimmung“ ist hier die Würde und Ruhe gemeint, die von diesen „guten Orten“ – ein Synonym für den jüdischen Friedhof – ausstrahlt.
Von derjenigen Sorgfalt, die es braucht, um ein besonderes Licht einzufangen, eine besondere Stimmung zu erspüren, zeugen auch diese Fotos hier. Sie strahlen Ruhe aus und passen daher, so denken wir, gut in diese bescheidene Kirche, die tatsächlich – insbesondere für die hier vorbeikommenden Wanderer – ein Ort der Ruhe und Rast ist. Danke, liebe Maren, dass Deine Fotos diesen Ort in diesem Sommer bereichern werden.

Kerstin Vogel? Eckhard Baier