"... das Ungewöhnliche im Gewöhnlichen zu erkennen und festzuhalten"
Gespräch mit der Fotografin Maren Heyne

Spürsinn, Erfindungsgeist, Phantasie und eine große Portion Beharrlichkeit. Dies sind einige der Qualitäten, die eine Fotografin haben muß, um Ungewöhnliches im Gewöhnlichen zu erkennen und festzuhalten. Kontraste, Wetter, Schwarz-Weiß gegen Farbe. Dies sind einige der möglichen Diskussionspunkte zwischen Fotograf und Redaktion, die bei der Arbeit an einer Bild-Text-Dokumentation auftreten.

Während der 1 1 /2jährigen Zusammenarbeit zwischen der Fotografin Maren Heyne und der Redaktion des „Wegweisers durch das jüdische Rheinland" tauchten immer wieder neue Fragen auf, waren immer neue Abstimmungen notwendig. Die DlALOG-Redaktion sprach mit der Fotografin Maren Heyne über ihre Arbeit am „Wegweiser" und ihre Erfahrungen, die sie im Laufe dieser Zeit über das „jüdische Rheinland" gesammelt hat.

Was muß Sie an einem Thema reizen, damit Sie daraus eine ganze Fotoserie machen, und was war das Spezielle am Rheinland-Wegweiser ?

Mich reizen grundsätzlich architektonische Themen und Vergängliches für Gegenwart und Zukunft festzuhalten. Beides ist in der Aufgabe für den Wegweiser enthalten.

Was waren Ihre Erwartungen und Vorstellungen zum Thema "Jüdisches Rheinland"?

Das Thema war für mich neu, also ein gewisser Anreiz, dieses Neue zu ergründen. Mit jüdischer Geschichte habe ich mich früher mehr über die Literatur beschäftigt, bei Josef Roth, den Brüdern Singer oder Elias Canetti. Hierbei handelt es sich aber mehr um Ostjüdisches. Mit deutsch-jüdischer Geschichte bin ich durch meinen Mann konfrontiert worden, der als Bildhauer mit jüdischen Sammlern und Kunsthändlern zusammenarbeitet und befreundet ist und war, z.B. mit dem legendären Jean-Pierre Wilhelm aus Düsseldorf.

Im Rheinland sind bis heute ja zahlreiche jüdische Friedhöfe erhalten, die Sie zum Teil auch fotografiert haben. Welche Eindrücke hatten Sie, wo lag für Sie der besondere Reiz? Gibt es gewisse Gesetzmäßigkeiten oder ist jeder Friedhof immer auch ein neues Obiekt?

Die jüdischen Friedhöfe im Rheinland sind für mich verblüffend und faszinierend in ihrer Würde und Schönheit, in ihrer Vielfalt, wie auch in ihrer gesetzmäßigen Einheitlichkeit. Da gibt es ländliche, klein- und großstädtische Friedhöfe und solche, die mitten im Walde schon wieder ein Teil des Waldes geworden sind. Dieses Thema ist für mich eine Herausforderung, die mit der Beendigung des „Wegweisers" nicht abgeschlossen sein wird. Auch wenn es viele Bücher über jüdische Friedhöfe gibt, so ist in keinem das Charakteristische zum Ausdruck gekommen.

Bezogen auf die Thematik: Wo in würden Sie die Vorzüge der Schwarz-Weiß-Fotografie, worin die der Farbfotografie sehen?

Die Vorzüge von Schwarz-Weiß oder Farbe hängen vom jeweiligen Sujet ab, wobei ich unter Farbe nie bunt verstehe. In unserem Fall war ja u.a. aus Kostengründen Schwarz-Weiß vorgesehen, was außerdem sachlicher und dem Thema angemessener ist. Da einige Sujets wie bemooste Grabsteine und die meisten Friedhöfe überhaupt farbig besonders reizvoll sind, habe ich vorgeschlagen, für die den „Wegweiser" begleitende Ausstellung auch einige Farbfotografien aufzunehmen.

Oft wird den Rheinländern eine gewisse Offenheit des Charakters nachgesagt. Galt das auch für die eigene Vergangenhert? Welche menschlichen Erfahrungen haben Sie bei der Arbeit gemacht, bei der Sie sicher oft auch mit einer gewissen ?Chuzpe" ans Werk gehen mußten?

Ich bin in Bayern aufgewachsen und hatte anfänglich meine Schwierigkeiten mit der sogenannten „rheinischen Frohnatur", die ich aber inzwischen zu schätzen weiß.
Was die „Chuzpe" betrifft, die oft beim Fotografieren nötig ist: Von Natur aus bin ich eher schüchtern und zurückhaltend. Wenn es aber um die Sache geht, kann ich um der Sache willen die nötige „Chuzpe" aufbringen, über verbotene Mauern und Gerüste klettern. Bei der Arbeit für den „Wegweiser" bin ich mit den verschiedensten Menschen ins Gespräch gekommen und bis auf ganz wenige Ausnahmen immer positiv. Die Spanne reicht da von ängstlich besorgten Friedhofswärtern bis zu skeptischen belgischen Militärs in Köin, in deren Areal das ehemalige Israelitische Krankenhaus liegt.

Hat sich nach der Mitarbeit am Projekt Ihr Bild, das Sie als Münchnerin vom Rheinland hatten, in irgendeiner Weise verändert?

Da ich schon sehr lange im'Rheinland lebe, hat sich mein Bild vom Rheinland nur im Hinblick auf die deutsch-jüdische Geschichte geändert. Ich bin überrascht, wie reich jüdische Geschichte und jüdisches Leben hier waren, aber auch erschüttert, wie radikal meistenorts diese von den offenen und fröhlichen Rheinländern ausgelöscht wurden.

Vielen Dank für das Gespräch.